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Abenteuer Elternsein – einige Gedanken zum Nachdenken

by Redaktion
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Kinder gehören für viele zu einem erfüllten Leben, und das obwohl sie anstrengend sind. Natürlich gibt es das Elternglück. Aber es ist zumeist ein Glück, das sich aus einer Fülle widerstreitender Gefühle zusammensetzt, die überraschenderweise mitunter dennoch ein stimmiges Ganzes ergeben.

Die wohl größte Zumutung, die uns Eltern an die eigenen Grenzen bringt, ist die Liebesfähigkeit der Kleinen. Alles nehmen sie von uns bedingungslos an, alles ahmen sie nach. Ob wir wollen oder nicht: Wir sind ihre Vorbilder und sehen durch sie, wie wir sind; erfahren mit ihnen auch das, was wir selbst nicht wahrhaben wollen, was wir tief vor uns und anderen verborgen haben.

Diese Wahrheit ist nicht immer schön. Aber auch die aus kindlicher Liebe hervorgehende Verantwortung kann Eltern überfordern. Denn im Konfliktfall neigen die meisten Kleinkinder dazu, ihre Bedürfnisse den elterlichen Wünschen zu opfern. Durch ihre kritik- und kriterienlose Liebe, die alles hin- und aufnimmt, sind unsere Kinder extrem verletzlich – auch und gerade durch uns, so dass einem als Eltern zuweilen der Atem stockt und der Zweifel befällt, ob man dem gewachsen ist.

Für den Pädagogen Jesper Juul sind Kinder eine existenzielle Herausforderung und eine große Chance zugleich. Wenn wir es lernen, die vorbehaltlose Liebe der Kinder zu erwidern, wenn wir ihren Eigensinn zu- und unsere Selbstbilder von ihnen in Frage stellen lassen, dann haben wir die Chance, uns neu zu begegnen und selbst zu bejahen. Insofern ist das Abenteuer Elternschaft ein Experiment, das zu wagen sich lohnt.

Schwanger sein ist keine Krankheit!

Schwangerschaft ist keine Krankheit. Und frau kann nicht nur ein bisschen schwanger sein. Und doch sind es genau diese trivialen Wahrheiten, die nicht mehr selbstverständlich sind.

Zunächst die gute Nachricht: Schwangersein und Kinderkriegen sind so sicher wie noch nie. Sterblichkeit und Morbidität von Müttern und neugeborenen Kindern sind auf ein historisches Tief gesunken.

Zugleich erleben immer mehr Frauen das Schwangersein eher als bangende Verunsicherung denn als gute Hoffnung, was, wie Maxie Wander berichtet, sich vor knapp 40 Jahren noch ganz anders anfühlte: „Dieses schöne Gefühl des Loslassens … das hatte ich nur während meiner Schwangerschaften. Ich schlief, das Kind wuchs. Ich vertraute. Ich brauchte nicht seine Zellen zu zählen und sein Gesicht selbst zu modellieren.“

Heute hingegen werden Schwangerschaft und Geburt vor allem als Risiken wahrgenommen, die entsprechendes Management verlangen. Vertrauen ist gut, Kontrolle besser: Ultraschall, Bluttests oder auch Fruchtwasserdiagnostik – das ist nichts Ungewöhnliches. Statt Vertrauen regiert der Verdacht, was Ängste schürt und zu Konflikten führt, die frühere Generationen so nicht kannten.

Dass Schwangerschaft und Geburt als (potentielle) Krankheiten behandelt werden, spiegelt sich auch in Zahlen: 1999 verliefen nur 6,7 % der Geburten ohne invasive Interventionen; 2006 wurde hierzulande eine Kaiserschnittrate von 30 % erreicht; und ebenfalls in diesem Jahr galten nach den Kriterien des Mutterpasses 71,3 % der Schwangeren als „risikoschwanger“. Und damit wird eine erste Zerreißprobe sichtbar, vor die sich heute viele Schwangere gestellt sehen.

Natürlich ist Schwangersein in der Regel keine Krankheit. Viele Frauen blühen auf und strahlen eine in sich gekehrte Ruhe aus. Und natürlich gibt es Beschwerden, Ängste, Übelkeit, Schlafprobleme, Wassereinlagerungen, Dehnungsstreifen, etwas Übergewicht oder einen erhöhten Blutzucker. Deshalb brauchen schwangere Frauen Unterstützung – von ihren Partnern, Familien und professionell von Hebammen und Ärztinnen. Zugleich aber wollen werdende Eltern nur das Beste für ihr Kind, sorgen sich, wollen alles technisch Mögliche tun, um eventuelles Unheil abzuwehren und sind daher empfänglich für die Sichtweise der auf Pathologien spezialisierten Hochleistungsmedizin.

Die Pathologisierung von Schwangerschaft und Geburt hängt eng mit unserer Lebensweise zusammen. Wohlstand, Bildung und effektive Verhütungsmittel sind nicht nur entscheidend für eine Gleichberechtigung der Frauen, sondern haben auch dazu geführt, dass eine Frau durchschnittlich weniger als zwei Kinder bekommt. Für viele sind Schwangersein und Geburt lebensgeschichtliche Ausnahmen geworden und verlieren damit an Normalität, so dass eine medizinische Haltung, der Schwangerschaft und Geburt als potentielle Pathologien gelten, lebensweltlich plausibel erscheint.

Zudem verschwindet mit dem Rückgang an körperlich schweren Tätigkeiten die Selbstverständlichkeit, dass der eigene Körper eine Produktivkraft ist, die etwas hervorbringt, aber auch etwas aushalten kann. Die Verwendung technischer Prothesen prägt unseren Alltag tief, und so ist es nicht überraschend, dass viele Frauen zwischen dem Vertrauen auf die medizinische Technik und ihrem leiblichen Spüren hin und her schwanken.

Ein bisschen schwanger?

Das Problem ist nur, dass technische Checks selten Klarheit bringen. Jeder Test schafft Unsicherheiten, jedes Ergebnis wird gespannt erwartet, jede noch so kleine Uneindeutigkeit zieht weitere Untersuchungen nach sich. Und oft gibt es dann Wahrscheinlichkeitsaussagen, die sich nur bedingt auf den individuellen Fall anwenden lassen. Hinzu kommt, dass die Therapiemöglichkeiten der Diagnostik hinterherhinken, viele Dinge erkannt, aber nicht behandelt werden können, so dass als letzte Option nur der Spätabbruch bleibt – eine Konsequenz, über die sich viele werdende Eltern kaum im Klaren sind, wenn sie sich auf pränatale Tests einlassen.

Schwangerschaftsverlauf
Schwangerschaftsverlauf

Schwangerschaft ist daher oft etwas Vorläufiges, das Frau jeder Zeit wieder zurücknehmen könnte, so dass sich hier ein zweiter Konflikt zeigt: Nur ein bisschen schwanger sein, das geht nicht. Der Leib verändert sich, die Brüste werden größer, der Appetit spezieller; auch die Lust kann neue Wege gehen, und das Kind kündigt sich in seinem Eigensinn schon an. Und doch klammert die moderne Medizin diese Wirklichkeit zugleich ein, lässt sie zu einer bloßen Möglichkeit verblassen, so dass es für viele unter diesen Bedingungen schwierig wird, eine unbeschwerte Bindung zu ihrem Kind aufzubauen.

Schwangersein in den Zeiten der HighTech-Medizin – ein Balanceakt

Wie bei allen technischen und sozialen Errungenschaften liegen hier Fluch und Segen eng beieinander. Auch wenn die Sehnsucht nach größtmöglicher Sicherheit verständlich ist: Die Einsicht, dass Eltern nicht alles kontrollieren können, dass Kinder eigensinnig und unberechenbar sind, dass sie dennoch und gerade daher unser Vertrauen brauchen und uns Überraschendes erfahren lassen, das uns an und über unsere Grenzen treibt, so dass wir über uns hinauswachsen – all das, was zum Abenteuer der Elternschaft gehört, beginnt bereits jetzt in der Schwangerschaft. Und da wir alle aus der Arbeitswelt gewöhnt sind, möglichst viel zu planen, neigen viele dazu, ihr Kind als Projekt zu koordinieren. Zulassen, Loslassen, Sich Verlassen – das sind Tugenden der Elternschaft, die unter heutigen Bedingungen ebenso wichtig sind wie Fürsorge oder materielle Absicherung.

Wie wir als werdende Eltern mit diesen Herausforderungen umgehen, ist ein je individueller Balanceakt. Es gibt nicht das einzig Wahre, und in Sachen Kinder können Eltern sowieso nie alles richtig machen. Für viele ist weniger mehr, geht es um einen Mix aus medizinischer Kontrolle und Vertrauen in das, was da kommt.

Was nur wenige wissen: Hebammen bieten nicht nur Geburtsvorbereitungskurse an, sondern können auch in der Schwangerschaft Vorsorgen machen, Blutabnehmen und zu Hause die kindlichen Herztöne mit einem Ultraschallgerät kontrollieren – all das bezahlt die Krankenkasse. Hebammen erkennen pathologische Indizien frühzeitig und wissen, wann ein Gang zum Frauenarzt ratsam ist.

Da Hebammenarbeit auf dem Vertrauen in die Kraft der Frauen beruht und sie durch dieses Vertrauen zu stärken sucht, ist sie ein gutes Gegengewicht zum medizinischen, nach Pathologien suchenden Blick. Die Betreuung durch Hebamme und Frauenärztin ist eine gute Voraussetzung dafür, dass sich die Sorge um und die Freude über das Kind nicht ausschließen müssen.

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